Sendung aus dem Gegen-Raum - Mail Art, Plakate und Faltrollos alternativer DDR-Kunstszenen
Samstag 23. August 2025
11:00 Uhr
Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst (Cottbus) | Cottbus
Über die Durchlässigkeit der offiziellen zu den inoffiziellen Kunst- und Kulturszenen der DDR hat sich innerhalb der Kunstwissenschaft mittlerweile mehr oder weniger ein Konsens entwickelt. Die „Szene“ im Singular wurde ad acta gelegt zugunsten der eingehenden Untersuchung künstlerischer Gruppen und Einzelfiguren in einem losen Geflecht, das sich im letzten Jahrzehnt der bestehenden DDR in Leipzig, Berlin, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Halle wie auch in Erfurt, Jena und Cottbus gebildet hatte.
Janusköpfig waren in gewisser Weise ebenfalls die künstlerischen Kommunikations- und Austauschmedien jener Szenen, die im Zentrum dieser Ausstellung stehen werden: Veranstaltungs- und Ausstellungsplakate, die originär in hoher Auflage ein größtmögliches Publikum im städtischen Außenraum ansprechen sollten, wurden nun in originalgrafischer Ausführung in Kleinstauflage ohne Druckgenehmigung produziert. Teils im Eigendruck und
-auftrag avancierten sie zu Sammlerstücken, die in den Wohnungen Zugehörigkeit markierten und den Galerien – wie etwa durch die EIGEN+ART praktiziert – zu essentiellen Einnahmen verhalfen.
Seltenes Beispiel eines städteübergreifenden Zusammenschlusses jener subkulturellen Milieus wurde 1985 das Festival „Intermedia I: Klangbild / Farbklang“ in Coswig bei Dresden, bei dem bemalte Faltrollos die fulminanten Kulissen für Punk und Aktionskunst bildeten. Diese waren zuvor von den Veranstaltern an über 40 Künstler und Künstlerinnen mit der Bitte um Bearbeitung geschickt worden. Eine Fortführung dieser besonderen Form der Mail Art fand das Phänomen der „Rollo-Kunst“ in der Lausitz, wo diese erstmals 1986 und 1988 in den Räumen der Cottbuser Schlosskirche ausgestellt wurde.
Post-Netzwerke wurden jedoch nicht nur für den Versand von Rollos genutzt, sondern ab den 1970er Jahren von kreativen Mail-Artisten zu einer eigenständigen Kunstform ausgebaut. Dabei wurden Umschläge, Briefpapier, Postkarten, Briefmarken oder auch Stempel künstlerisch bearbeitet. Obwohl die Mail Art-Szene der DDR verhältnismäßig klein war, fällt ihr eine besonders wichtige Rolle als behaupteter, autonomer wie subversiver „Kunstraum“ zu. Im Rahmen der Ausstellung werden Werke exponierter Protagonist*innen dieser temporären „Gegen-Räume“ zum institutionalisierten Kunstbetrieb zu sehen sein, die als exemplarisch oder einzigartig für die künstlerischen Kommunikationsformen dieser Szene(n) in den 1980er Jahren gelten können.